Lackner, Zoltán: Endlich
Endlich ist die Frage an den Titelseiten der Zeitungen zu lesen und in den Hauptnachrichten zu hören, die heute das wichtigste nationale Interesse darstellt. Der Anschluß an die EU ist seit dem Systemwechsel eins der strategischen Ziele des Landes. Die breitere Öffentlichkeit weiß trotz alledem kaum etwas über die Union, über deren Institutionen, über die Vor- und Nachteile der Mitgliedschaft. Die Erwartung ist mehr als die verfügbare Informationsmenge.
Dies kann auch den Regierungen die seit 1990 Macht ausgeübt haben angekreidet werden. Zwischen den parlamentarischen Parteien gibt es keinen Unterschied in der Beurteilung, daß sie den Anschluß an Europa als höchste Priorität ansehen. Deshalb ist es wichtig, daß das ungarische Rechtssystem unionskompatibel gemacht wird, daß das Land gewissen wirtschaftlichen Kriterien entsprechen soll – auch angesichts des weiteren Ziels der Angliederung an die Euroregion. Jedoch ist der Prozess kein Einseitiger. Er ist keine Auflösung in der großen europäischen Schmelztiegel. Ähnlich den sich früher oder den sich später Anschließenden darf Ungarn genauso Bedingungen schaffen, es kann genauso Interessen haben, die es zu verwirklichen wünscht. Diese werden von der unser Land repräsentierenden verhandelnden Delegation auch formuliert und vertreten. Die Kriterien werden von der aktuellen Regierung beschlossen, jedoch die jeweils aktuelle Opposition hat auch das recht ihre Meinung zu äußern auf der Grundlage der eigenen Situationsbewertung.
Der ehemalige Regierungschef, der der erste Mann der Oppositionspartei ist, verfügt über die Legitimität Prioritäten in Zusammenhang mit dem Anschluß zu formulieren. Unter diesen kann die Verbesserung und Schutz der Wettsituation der ungarischen Kleinunternehmers und Mittelstandes oder eben die Unterstützung der ungarischen Landwirte gegenüber der stark subventionierten europäischen Kontrahenten Platz haben.
Das Problem fängt damit an, daß Viktor Orbán die Fortsetzung der Politik der vorigen Regierung für den einzig möglichen Weg des Interessenschutzes hält. Die Rhetorik aufrecht erhaltend, von der der Széchenyi Plan in symbolische Höhen gehoben wird, als wäre dies der einzig mögliche Weg für die Verbesserung der Unternehmerschicksale. Genauso redet er auch über die Agrarpolitik seines ehemaligen Kabinetts. Von dem Premierminister der vorherigen Regierung wäre dies verständlich, hätte er an den Wahlen von April keinen Niederschlag erlitten. Was ein eindeutiges Zeichen dafür war, daß er mit seiner Politik nicht im Stande gewesen ist das Gefallen der Mehrheit der Bürger zu gewinnen. Dies alles beinhaltet keines Wegs, daß von der Regierung Orbán keine fortsetzungsfähige Entscheidung gemacht worden ist. Jedoch muß das ehemalige Regierungsoberhaupt akzeptieren, daß seine Taten/Aktionen von 1998 bis 2002 zweifelhaft und angreifbar gewesen sind und nicht auf das Verständnis der ganzen Gesellschaft getroffen sind. Als Konsequenz kann er nicht für die Unterstützung des Unionsbeitritts die Einhaltung der Punkte der eigenen Wahlthesen oder seines ehemaligen Regierungsprogramms voraussetzen. Er kann diese höchstens als Diskussionsbasis anbieten neben der Verlautbarung des Einigungswillens. Es wird alleine von der Fidesz-Fraktion von 164 Mann genug Gewicht der Argumentation von Viktor Orbán verliehen. Es ist unnötig dies zu vergrößern durch eine Verzögerung der nötigen Unterstützung für Grundgesetzänderungen. Es ist gelungen auch diese Angelegenheit in das Gestrüpp unserer politischen Debatten zu tragen. Es soll kein Mißverständnis entstehen: wenn irgendwo, dann in dieser Angelegenheit ist umso mehr politisches Debattieren gefragt. Es ist wichtig, daß die Vorteile und auch möglichen Nachteile des Beitritts von den Bürgern erkannt werden. Des Weiteren ist nicht von unerheblichen Bedeutung für sie zu wissen, in welchen Angelegenheiten die relevanten politischen Parteien locker lassen wollen und in welchen sie harte Vorbedingungen schaffen wollen bei den Verhandlungen mit den Repräsentanten der Union. Die Standpunkte sollten schon längst und in weiten Kreisen bekannt sein und sie sollten unter den Gesichtspunkten Platz nehmen, die zu der Entscheidung für die Wahl einer Partei beitragen. Umso mehr denn das Objekt der Debatte nichts anderes als die Notwendigkeit des Beitritts ist. Weiterhin auch deshalb, weil der Beitrittsprozess sich dem Ende nähert. Viktor Orbán sagte noch als Premierminister, an dem letzten EU-Gipfel, daß die Ungarn schon in der Speisekammer seien. Nun dann wenigstens hier zwischen den Kompottgläsern herumstehend sollte darüber gesprochen werden, wer wie über die Angelegenheit denkt.
Der Anführer der Fidesz hat jetzt seinen Standpunkt klargemacht. Dies wäre auch zu begrüßen, hätte er nicht wiederum Schwarzweißmalerei getrieben. Hätte er nicht die eigene Meinung für ausschlaggebend gehalten, und hätte er die aktuelle Regierung mit dem Entzug der unverzichtbaren Unterstützung für die Verfassungsänderung nicht erpreßt. Vielleicht ist die Annahme richtig, daß er mit diesem Schritt vor den eigenen Wählern darstellen wollte, daß er weiterhin als ein entschlossener und tatkräftiger Politiker anzusehen ist. Dies ist wahrscheinlich großartig gelungen in den Kreisen jener, die diese und ähnliche Stimmen fordern. Frage ist , natürlich, wie lange er es als seine Aufgabe betrachten wird, diese Gruppe der Stimmberechtigten zu bedienen und wann er eine weniger konfrontative und erstaunlicher maßen lohnendere Möglichkeit der Stimmgewinnung erkennen wird. Mit den jetzigen „Bedingungen“ hat er bloß erreicht, daß die Umstände des Uninonsbeitritts umsonst in die Schlagzeilen avanciert sind , die Debatte wird in Wahrheit nicht über diese geführt. Sondern darüber, wer ihn mehr und wer ihn richtig wünscht. Dies ist die seit Jahren gewohnte Show. Wenn Viktor Orbán über diese Frage wirklich das Gefallen der eigenen Wähler suchend sprach auf der Weise des „Bedingungsgebers“, dann ist die gefährliche Platzgewinnung der Auktualpolitik an diesem Punkt zu ertappen gegenüber der der nationalen Interessen. Die Presse ist voll damit, wie sich Ibolya Dávid(MDF - Forum Ungarischer Demokraten) Viktor Orbán widersetzt. Die Äußerungen der Regierungsseite sind viel weniger interessant angesichts dieses saftigen „bürgerlichen“ Theaters. Da, wo der Beitritt nichts anderes als ein historischer Wendepunkt ist, ist die geschichtliche Wichtigkeit egal welches Mitglieds der ungarischen politischen Elite – wie soll ich sagen – wenigstens nicht bewiesen.
In dieser Lage kann die integrative Groß-Komitee geführt von den parlamentarischen Parteien und vorgeschlagen von den Sozialisten einen guten Dienst erweisen. Der Präsident der MDF (Forum Ungarischer Demokraten) ist mit einer ähnlicher Idee hervorgetreten. Jedoch kann der Parteichef der SZDSZ (Verband Freier Demokraten) Recht haben, daß nicht eine neue Komitee benötigt wird, denn es existieren zuständige Regierungs- und parlamentarische Institutionen. Egal wie, aber es wäre notwendig, daß die formellen Strukturen mit Inhalt gefüllt würden von den Repräsentanten der Parteien und ihre Debatten die wichtigsten Fragen des Unionsbeitritts für die Bürger handgreiflich machen würden. Es ginge doch um sie. Für die Stimmberechtigten wäre es auch nicht unerheblich zu wissen, was die Prioritäten für die einzelnen Parteien sind betreffend die Beziehungen Ungarns zu der EU.
Ihre Entscheidung sollte vor allem von diesem Faktor beeinflußt werden, wenigstens bei den nach dem EU-Beitritt anstehenden Wahlen. Die Notwendigkeit der Berichterstattungen für Ungarns Bürger und die Einigung der einander mit heftiger Antipathie begleitenden Parteien sind heller als die Sonne zu sehen. Wenn auch in dieser Angelegenheit jeder den gewohnte n Monolog über den anderen zu Ende skandiert hatte könnte man sogar mit den wirklich wichtigen Taten anfangen. Endlich.
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